Kameradschaft, Fitness und Faschismus: Active Clubs in Deutschland
19. Juni 2024
In Deutschland hat sich in den letzten Monaten ein neues rechtsextremes Netzwerk etabliert: Sogenannte Active Clubs, eine weltweite gewaltorientierte White-Supremacy-Bewegung, fitness- und kampfsportaffin, die das Ziel eint, einen angeblichen sogenannten „weißen Genozid“ zu verhindern. Mindestens zwölf deutsche Gruppen sind bereits online aktiv und die Bewegung möchte schnell wachsen. Ein Blick auf die Strategie des Netzwerks und die Frage, warum es in Deutschland besonderes Eskalationspotential birgt.
Active Clubs (ACs) präsentieren sich als eine neue Marke rechtsextremer Gruppen mit wirkungsvoller, jedoch vergleichsweise weniger offenkundiger politischer Botschaft. ACs zielen darauf ab, so viele Mitglieder wie möglich zu gewinnen. Ihre Taktiken bauen sowohl auf aktuellen als auch historischen Strategien rechtsextremer Bewegungen auf, wie zum Beispiel auf dem Prinzip des „leaderless resistance“, des führerlosen Widerstands.
Zum Hintergrund der Active Clubs
Active Clubs wurden in ihrer heutigen Form im Jahr 2021 in Kalifornien von Robert Rundo, der zuvor im „Rise Above Movement“, einem White Supremacy Fight Club, organisiert war, gegründet. Die initiale Strategie der Bewegung war es, abseits der Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden eine Miliz aufzubauen, die bereit ist unter Einsatz von Gewalt die „weiße Rasse“ zu verteidigen. Die Bewegung wurde als eine Iteration früherer Versuche konzipiert, rechtsextreme Bewegungen, wie etwa „Unite the Right“ zusammenzubringen. Sie strebte dabei einen strategischen Wechsel, weg von den sogenannten „Keyboard Warriors“ hin zu gewaltsamen Aktionen vor Ort, an. In der Vergangenheit dienten Active Clubs auch als Zufluchtsorte für Mitglieder verbotener rechtsextremer Gruppierungen: Mehrere Mitglieder der „Atomwaffen Division“ traten angeblich dem „Active Club Canada“ bei, nachdem die „Atomwaffen Division“ in Kanada als terroristische Vereinigung eingestuft wurde.
Rundo etablierte Active Clubs als neue Marke innerhalb rechtsextremer Communities. Unterstützer konnten durch die Gründung eigener Gruppierungen dem Netzwerk beitreten und Teil der Bewegung werden. Hierfür erstellte Rundo Podcasts und Essays, in denen er erläuterte, wie ein neuer Active Club zu gründen und zu bewerben sei. Darin betont er die Bedeutung hochwertiger Propaganda und eines strategischen Vorgehens: Neue Mitglieder sollten zunächst durch das Versprechen einer Gemeinschaft gewonnen und die Ideologie erst später thematisiert werden.
Obwohl die Ideologie der Bewegung stark von neo-faschistischen und akzelerationistischen Kreisen geprägt ist, betont Rundo, potenzielle neue Mitglieder nicht durch den direkten Einstieg über Politik zu verprellen. Stattdessen sollen zunächst Gemeinsamkeiten mit den Rekruten gefunden oder gemeinsame Fitness-Trainings organisiert werden, bevor die Ideologie zur Sprache kommt. Rundos Rekrutierungsmethoden versuchen sowohl online als auch offline die handlungsleitende White Supremacy zu verbergen oder zumindest so zu minimieren, dass sie auf den ersten Blick nicht erkennbar ist und von potenziellen Mitgliedern langsam adaptiert werden kann. Obwohl viele ACs in ihren Logos weitgehend Symbole der extremen Rechten verwenden, nutzen die Gruppen Bilder ihrer Mitglieder, oft beim Kampfsporttraining, um die Marke von weißer Männlichkeit und brüderlicher Gemeinschaft zu fördern, oder in ihren Worten, um „Faschismus spaßig machen“. Zwar zielen alle Active Clubs darauf ab, von der nationalistischen Kultur „Böse Jungs, gute Gewohnheiten“ zu profitieren, dennoch halten sich nicht alle strikt an diesen Strategievorschlag: Einige öffentliche Mitglieder-Posts auf Telegram und anderen Plattformen beinhalten Symbole und eine offenkundige Rhetorik der extremen Rechten.
Das AC-Netzwerk ist derzeit mit mehr als 120 Gruppen in Nordamerika, Südamerika und Europa aktiv. Viele dieser Gruppen stehen in Verbindung oder in engem Kontakt mit anderen rechtsextremen Organisationen wie zum Beispiel der „Patriot Front“ und der „White-Lives-Matter“-Bewegung in den USA. Auch andere rechtsextreme Bewegungen haben Elemente der AC-Strategie übernommen, wie das „National Socialist Network“ in Australien. CeMAS konnte 126 Active Clubs identifizieren, 89 davon betreiben einen eigenen Telegram-Kanal. Insgesamt konnten wir 113 Telegram-Kanäle dem Netzwerk der Active Clubs zuordnen:
Active Clubs in Deutschland
Auch in Deutschland wächst das Active-Club-Netzwerk seit einiger Zeit: Inzwischen gibt es einen nationalen Telegram-Kanal sowie 11 regionale Gruppen auf den Plattformen Telegram und TikTok. Zudem konnten zwei Gruppenlogos identifiziert werden, deren Gruppen bisher über keine Online-Präsenz verfügen. CeMAS hat zudem sieben weitere Instagram- und zwei TikTok-Konten, die mit deutschen ACs in Verbindung stehen, identifiziert.
Das digitale Netzwerks wächst rasant: Innerhalb von zwei Wochen hatte der nationale Telegram-Kanal bereits mehr als 1.200 Abonnent:innen. Insgesamt ist die exakte Größe und die Zahl der Mitglieder des Active Club-Netzwerks, sowohl in Deutschlands als auch weltweit, schwer zu bestimmen. Einige ACs aus Deutschland haben beispielsweise mithilfe generativer KI Propagandamaterialien erstellt und ihre Gruppe dabei vermutlich größer erscheinen lassen, als sie tatsächlich ist:
Active Clubs in Deutschland verfolgen eine zentralisierte und organisierte Strategie, um ihre Präsenz in Deutschland auszubauen. Kürzlich gab der nationale Kanal bekannt, dass die Gruppe von der Startphase in eine Rekrutierungsphase übergeht, in der die Mitglieder dazu angehalten sind, im rechtsextremen Milieu für weitere Mitglieder zu werben. Ziel soll es mittelfristig sein, ein attraktives gegenkulturelles Image zu schaffen, um anschließend in einer späteren weiteren Phase, dann auch Personen aus dem Mainstream und der breiteren Öffentlichkeit zu erreichen.
In der aktuell ausgerufenen Rekrutierungsphase soll es jedoch zunächst darum gehen, sich als breit angelegte, rechtsextreme Kampagne innerhalb des rechtsextremen Milieus zu etablieren, die jedem Rechtsextremen offensteht. Erklärtes Ziel ist es, interne Kämpfe und Splittergruppen innerhalb des rechtsextremen Milieus zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wird die Überparteilichkeit des Netzwerks und die Tatsache betont, dass Einzelpersonen einem Active Club beitreten können, während sie parallel Mitgliedschaften, wie beispielsweise bei den „Jungen Nationalisten“, dem „III. Weg“, der „Jungen Alternative“ oder der „Identitären Bewegung“, beibehalten können.
Bisher scheinen ihre Taktiken erfolgreich zu sein: Active-Club-Kanäle haben mehrere Propagandavideos veröffentlicht, die regionale ACs bewerben und auch auf andere rechtsextreme Gruppierungen verweisen:
Entgegen der von Rondo empfohlenen Strategie, setzen deutsche Active Clubs bereits offene Nazi-Symbole in ihrem Propagandamaterial ein. Mitglieder teilten auf TikTok, Telegram, und Instagram ein Video, in denen sie in ihrer Region Aufkleber mit der Aufschrift „Nazi Kiez“ und der Schwarzen Sonnen1 anbringen:
Eine Active-Club-Gruppe steht in enger Verbindung mit Patrick Schröder, einer bekannten Persönlichkeit der neonazistischen Szene. Schröder hat sich wiederholt bemüht, den Rechtsextremismus zu modernisieren und zu popularisieren, und nutzt Active Clubs als neueste Methode der Rekrutierung. In einer aktuellen Ausgabe der neonazistischen Zeitschrift „N.S. Heute“ hat Schröder einen Artikel veröffentlicht, in dem Active Clubs als neue erfolgreiche strategische Ausrichtung gelobt werden. Zuletzt vertrat Schröder ACs auf der von den „Jungen Nationalisten“ organisierten Konvention „Kämpfen für Europa“, wo er sich mit rechtsextremen Organisationen aus mindestens acht europäischen Ländern vernetzte.
Schröder ist zudem mit einem rechtsextremen Medienkollektiv in Bautzen verbunden, das ebenfalls Active Clubs fördert. Das Kollektiv produziert rassistische Aufkleber, Banner und Werbematerial für verschiedene rechtsextreme Gruppen und wird von Benjamin Moses geleitet, einem gewählten Kreistagsabgeordnete der rechtsextremen Partei Freie Sachsen.
Potenzielle Bedrohungen
Die möglichen Auswirkungen eines schnell wachsenden Active-Club-Netzwerks in Deutschland darf keinesfalls unterschätzt werden, insbesondere vor dem Hintergrund des bestehenden rechtsextremen Umfelds, in dem die Mitglieder agieren.
Das Milieu bietet einen fruchtbaren Boden für eine schnelle erfolgreiche Rekrutierung und Netzwerkerweiterung: Anschlussversuche an bestehende und im Milieu etablierte rechtsextreme Gruppierungen und Rekrutierungsbemühungen am Rande von Aktivitäten, die unter Rechtsextremen besonders beliebt sind, scheinen erfolgversprechend. Wandern und Camping werden von rechtsextremen Gruppen zum Beispiel häufig als Gemeinschaftsbildungsaktivitäten genutzt, eine Tradition, die ihre Wurzeln in den nationalistischen deutschen Jugendbewegungen der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Weltkriegs hat.
Auch MMA- und Kampfsportwettbewerbe dienten Rechtsextremen lange als Netzwerk- und Rekrutierungsveranstaltungen. Der sogenannte „Kampf der Nibelungen“ wurde beispielsweise sechs Jahre in Sachsen veranstaltet und brachte Rechtsextreme aus ganz Europa zusammen, bevor er 2018 verboten wurde. Active Clubs haben das Potential, von diesen bestehenden Strukturen zu profitieren.
Vieles deutet darauf hin, dass die wachsende Zahl von kampfsportaffinen und zum großen Teil auch -erprobten Active Clubs in Deutschland zu einem Anstieg rechtsextremer Gewalttaten führen wird. In der Vergangenheit sind bereits gewalttätige Übergriffe von einzelnen Mitgliedern ähnlich organisierter Gruppen verübt worden, auch wenn diese oft ohne Rücksprache mit der Gruppe erfolgten. Der jüngste Angriff auf den Politiker Matthias Ecke und einen Wahlhelfer wurde von mindestens einer Person verübt, die Verbindungen zu „Elbland Revolte“ hatte, einer rechtsextremen Jugendbewegung mit Verbindungen zu den „Jungen Nationalisten“. Ein weiteres Beispiel ist die Gruppierung der neo-nazistischen Kampfsport-Gruppe „Knockout51“, deren Mitglieder gewaltvolle Überfälle auf Polizeibeamte und Demonstrierende und Hetzjagden auf linke Aktivist:innen verübten, mit der Absicht diese zu töten. Trotz zahlreicher Überfälle wurden die Beweggründe für die Angriffe jahrelang durch die Sicherheitsbehörden weder erkannt noch als Hasskriminalität verfolgt. Bereits jetzt führen Active Clubs in Deutschland offen koordinierte Propagandaaktionen durch, wie das Anbringen von Aufklebern und das Herablassen von Bannern, die darauf abzielen, Migrant:innen, politische Gegner:innen und die LGBTQ+-Gemeinschaft einzuschüchtern. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sicherheitsbehörden in Deutschland diese auch hierzulande schnell wachsende Bewegung und ihre Strategien zur Verschleierung ihres Bedrohungspotenzials ernstnehmen.
Jessa Mellea arbeitet zum Themenfeld digitale rechtsextreme Bewegungen. In der Vergangenheit arbeitete sie beim Counter Extremism Project im Program on Extremism an der George Washington University und an der Harvard University T.H. Chan School of Public Health, wo sie zu Extremismus recherchierte und forschte.