AfD: Von der Professorenpartei zur parlamentarischen Repräsentation des Rechtsextremismus

Autor:innen: Simone Rafael, Joe Düker

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat beschlossen, ein Gutachten zur möglichen Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem” nicht vor der Bundestagwahl 2025 zu veröffentlichen. Ein Blick auf den Werdegang der AfD als Partei macht eine eigene Einschätzung möglich, wie weit sich die AfD von den Werten des Grundgesetzes entfernt hat. Schon als die AfD 2013 als „Anti-Euro-Partei” gegründet wurde, begann ihr Flirt mit dem Rechtsextremismus. Ließ er sich vor elf Jahren aber noch als Randerscheinung klassifizieren, macht er heute den Kern der AfD-Politik aus, wie eine Zeitachse mit verschiedenen Aussagen ranghoher AfD-Politiker:innen verdeutlicht. Dabei wird deutlich, dass die Partei sich nicht erst in den letzten Jahren und Monaten radikalisiert hat, sondern ihre Mitglieder schon seit gut einem Jahrzehnt immer wieder mit menschenverachtenden Aussagen auffallen.

Von der marktliberalen zur rechtsextremen Partei

Die ursprünglich marktliberal-rechtskonservativ positionierte AfD hatte seit den Anfangstagen 2013 auch offen rechtsextreme Wähler:innen, die sie damals mit Rassismus bediente. So bezeichnete zum Beispiel Gründer Bernd Lucke Migrant:innen in den Sozialsystemen als „Bodensatz“. Dazu kam ein „Deutschland zuerst“-Nationalismus und die Abwertung von politischen Gegner:innen („Altparteien“).

Der Rassismus funktionierte bei den Wähler:innen weit besser als die EU-Schelte. Doch aus dem Wählerstimmen-Spiel mit der Abwertung wurde schnell Ernst. Schon 2015 trat der frühere Vize-Vorsitzende der AfD, Hans-Olaf Henkel, nicht nur aus der Partei aus, sondern meinte mit Blick auf den Rechtsruck der AfD: „Ich habe geholfen, ein Monster zu schaffen.“ Inhaltlich gewann der völkisch-nationalistische „Flügel“ innerhalb der Partei an Einfluss, bis er sich April 2020 offiziell auflösen musste. Mit Jörg Meuthen verlässt 2021 ein weiterer Professor die sogenannte „Professorenpartei“. Mit jedem Bundesparteitag hat sich die AfD weiter radikalisiert, die Grenzen des für sie Erträglichen erweitert, bis sie als rechtsextreme Partei übrigbleibt.

Um Menschen als Wähler:innen zu erreichen, setzt die AfD wiederholt auf die Instrumentalisierung äußerer Ereignisse wie Migration, Krieg oder Wirtschaftskrisen und geht dabei als Krisenprofiteurin hervor: Immer wieder gelingt ihr die Bindung durch Geflüchteten- und/oder Islamfeindlichkeit und vermeintliche Kriminalitätsbekämpfung, etwa durch das Schüren von Ängsten als 2015 viele Schutzsuchende nach Deutschland kamen, oder durch die rassistische Aufladung von sexueller Gewalt oder Straßengewalt. Findet die AfD keine Parteilinie, wie in einer der größten Krise der letzten Jahre, der Coronavirus-Pandemie, sinken auch ihre Umfragewerte merklich. Im Angriffskrieg auf die Ukraine polarisierte die AfD mit einer sehr russlandfreundlichen Einstellung, die sie als „Friedenspolitik“ betitelt, obwohl sie vor allem von einer Bewunderung für die autoritäre und reaktionäre Staatsführung Putins getragen ist.

Immer wieder fällt die AfD in den letzten 10 Jahren durch völkisch-nationalistische, rassistische oder rechtsextreme Vorfälle ranghoher Mitglieder ihrer Partei auf. Hierbei ist anzumerken, dass diese Aussagen keineswegs nur von Parteimitgliedern der vom Verfassungsschutz bereits als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Landesverbände getätigt werden. Vielmehr reicht der Ausdruck von Rassismus und rechtsextremen Gedankengut bis in die höchste Ebene der Partei.

Was in der AfD heute zur Normalität gehört

Rechtsextreme Ideologie: Elf Jahre nach der Gründung hat die AfD Mandatsträger:innen und Funktionär:innen, die sich offen rechtsextrem äußern, die sich den Umsturz in Deutschland wünschen oder diese sogar planen (AfD-Chatgruppen, ehemalige AfD-Bundespolitikerin als Mitglied der mutmaßlichen Rechtsterrorismus-Gruppe von „Prinz Reuß“).

AfD-Politiker:innen fordern ein „Europa der Vaterländer“ wie die rechtsextreme Organisation „Identitäre Bewegung“ (zuletzt AfD-Europaparteitag 2023) oder äußern immer wieder offen Forderungen nach einer sogenannten „Remigration“.

NS-Verharmlosung: Die AfD hat Funktionäre, die sich mit positiven NS-Bezügen äußern, vom „Vogelschiss“ Alexander Gaulands, der so 2015 den Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte marginalisierte, bis zum EU-Abgeordneten Maximilian Krah, der die Verbrechen der Waffen-SS 2024 ganz schamfrei in einem Zeitungsinterview verharmlost.

Derweil wird Björn Höcke, AfD-Thüringen-Landesvorsitzender und zentrale Figur des völkisch-nationalen „Flügels“, 2024 zum zweiten Mal wegen der Verwendung der verbotenen SA-Parole „Alles für Deutschland“ zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Björn Höcke hat Rechtsmittel eingelegt. Diese vorläufigen Gerichtsbeschlüsse sind für die AfD aber kein Grund zur Distanzierung mehr: „Alles für Deutschland“ wird ein inoffizieller Wahlkampfslogan. AfD-Anhänger:innen fordern, an den Spruch angelehnt, „Alice für Deutschland“. Das Wahlprogramm des Landesverbandes der AfD Thüringen trägt den Titel „Alles für Thüringen“.

Arbeit mit rechtsextremen Organisationen: Große Teile der AfD arbeiten inzwischen offen mit rechtsextremen Vorfeld-Organisationen wie dem „Verlag Antaios“ von Götz Kubitschek in Schnellroda oder der „Identitären Bewegung“, dessen Meinungsführer der Rechtsextreme Martin Sellner ist, zusammen, mit rechtsextremen Vereinen wie „Ein Prozent“ oder rechtsextremen Medien vom „Compact“-Magazin bis zum Troll-Podcast „HonigWabe“ von „Shlomo Finkelstein“, dessen queerfeindliche Kampagne „Stolzmonat“ Björn Höcke im Interview lobte.

Die AfD organisiert Demonstrationen mit rechtsextremen Organisationen seit dem „Schweigemarsch“ in Chemnitz 2018 und versucht sich – mal mehr und mal weniger erfolgreich – als Bewegungspartei an die Spitze jeglicher Empörungswellen zu setzen, von der islamfeindlichen „Pegida“-Bewegung über die coronaleugnenden „Querdenker“ bis zu den russlandfreundlichen, friedensbewegten Anhänger:innen von Verschwörungserzählungen und den wütenden Bauernprotesten.

Rechtsextreme Mitarbeitende: Außerdem stellen AfD-Funktonär:innen – insbesondere aus dem Bundestag – oft Rechtsextreme als Mitarbeiter:innen ein, was eine Bedrohung für die demokratischen Abgeordneten bedeutet und über die erweiterten Informationszugänge auch für die demokratische Gesellschaft und Sicherheit in Deutschland.

Rechtsextreme Kernwählerschaft: Trotz der zahlreichen Verbindungen zum organisierten Rechtsextremismus und den wiederkehrenden antisemitischen, rassistischen, behinderten- und queerfeindlichen Aussagen und Handlungen ihrer Parteimitglieder hat die AfD keinen Einbruch ihrer Zustimmungswerte erlebt. Für Teile der Wähler:innen scheint solches Verhalten eher gegenteilig als Auszeichnung verstanden zu werden. Bei der Europawahl 2024 ist die AfD zweitstärkste Kraft geworden, obwohl zuvor ihre beiden Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron unter Bestechungs- und Spionageverdacht aus China beziehungsweise Russland stehen. Die Partei wird in einigen Teilen der Bevölkerung nicht trotz, sondern wegen ihrer rechtsextremen Einstellungen gewählt und hat sich in den elf Jahren ihrer Existenz eine Kernwählerschaft erarbeitet, die AfD wählt, egal was passiert. Diese hat die AfD vor allem über Rassismus und Demokratiefeindlichkeit gebunden, wie etwa Studien wie das „German Socio-Economic Panel“ 2018 zeigen.

Warum die Beobachtung durch den Verfassungsschutz wichtig ist

Diese rasante Radikalisierung hindert die AfD nicht an Wahlerfolgen. Deshalb ist es wichtig, dass sich nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern auch der Verfassungsschutz mit ihr auseinandersetzt. Denn um einen Angriff auf die im Grundgesetz niedergeschriebenen Werte geht es der inzwischen vom völkisch-nationalistischen Flügel übernommenen AfD längst.

Weil das niemand besser weiß als die Partei selbst, hat sie immer versucht, formell gegen Einstufungen durch den Verfassungsschutz zu klagen, nicht aber auf inhaltlicher Ebene. Denn dazu ist die Beweislage einfach zu erdrückend. AfD-Mitglieder äußern sich seit der Gründung der Partei rassistisch und antisemitisch, nationalistisch bis völkisch, NS-verherrlichend und geschichtsrevisionistisch, befürworten Gewalt gegen politische Gegner:innen, sind queer- und behindertenfeindlich, wie der Zeitstrahl mit einer beispielhaften Auswahl von Zitaten hochrangiger AfD-Politiker:innen aus den letzten Jahren verdeutlicht.

Neben dem Verfassungsschutz hat auch das Oberverwaltungsgericht Münster auf eine Klage der AfD hin entschieden, dass es genügend Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Partei Bestrebungen verfolge, die sich gegen die Menschenwürde bestimmter Gruppen und gegen das verfassungsrechtlich geschützte Demokratieprinzip richten. So wolle die AfD deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund rechtlich abwerten – eine unzulässige Diskriminierung.

Welche Folgen hat eine Einstufung des Verfassungsschutzes?

Wenn auch die AfD-Stammwähler:innen kaum erschütterbar scheinen, hätte die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz Folgen: Neben den erweiterten Beobachtungsmöglichkeiten durch den Verfassungsschutz (V-Leute, Telekommunikation abhören) ist es wahrscheinlich, dass die Einstufung die Sichtbarkeit der AfD gefährdet – verbotene Organisationen werden in Sozialen Netzwerken gern gelöscht. Und natürlich kann die Einordnung auch der Start für ein mögliches Parteienverbot sein.

Die hohen Wählerzahlen, die die AfD aktuell erreicht, machen ein potenzielles Parteiverbot argumentativ kompliziert. Die Einordnung durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ legt diese Überlegung jedoch nahe, weil die AfD durch die hohe Zahl von Wählerstimmen nun groß genug, um potenziell die Demokratie in Deutschland dauerhaft zu beschädigen. Und dies ist das wichtigste Kriterium für ein Parteienverbot.

Folgen Sie uns auf