Antisemitische Propaganda auf Instagram: Ein Risikofaktor für ausländische Einflussnahme

Autor:innen: Corinne Heuer, Thilo Manemann

Bei den antiisraelischen Protesten in Deutschland spielt auch die Inszenierung einer Gegenöffentlichkeit als Gegenstimme zur etablierten Medienlandschaft eine große Rolle. Auf sozialen Medienplattformen wie Instagram werden die Proteste inszeniert und das Kriegsgeschehen in Gaza und Israel kommentiert. Die eigenen Narrative werden dabei durch teils fragwürdige Medienformate unterstützt: Eine Analyse der geteilten Inhalte des antiisraelischen Protestmilieus in Deutschland.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem noch immer andauernden Krieg im Nahen Osten steigt die Anzahl antisemitischer Angriffe und Vorfälle weltweit rasant. Die zunehmende Bedrohungssituation macht sich auch in einer Vielzahl antisemitischer Narrative bemerkbar, die sowohl auf der Straße als auch im digitalen Raum zu beobachten sind. Auch in Deutschland wird sich im Zuge der antiisraelischen Proteste einer teils aggressiven und antisemitischen Rhetorik bedient. Im Rahmen antiisraelischer Demonstrationen bricht sich eine zunehmende Pressefeindlichkeit bahn, die sich wiederholt in Übergriffen auf Medienschaffende äußert. Das Feindbild „etablierte Presse“ wird auch in den digitalen Räumen des Protestmilieus genährt. Im Juli 2024 erfasste Instagram-Daten zeigen, dass sich hierdurch zugleich potenzielle Einfallstore für ausländische staatsnahe und an deren Propaganda anknüpfende Akteur:innen eröffnen: Ausgehend von vier zentralen Instagram-Accounts, die bereits durch ihre Nähe zur antisemitischen BDS-Bewegung, die Relativierung antisemitischer Gewalt und die Absprache des Existenzrechts Israels Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung waren, hat CeMAS weitere für das Milieu relevante Instagram-Accounts identifiziert und auf die in ihren Instagram-Stories geteilten Medieninhalte hin untersucht.

Propagandistische Inhalte werden am häufigsten geteilt

Um das Netzwerk zu erfassen und die innerhalb dessen geteilten Medien zu analysieren, hat CeMAS die 1.001 Instagram-Beiträge der vier zentralen Ursprungsaccounts zwischen dem 1. Januar 2024 und dem 25. Juni 2024 ausgewertet und auf die Zusammenarbeit mit anderen Accounts hinsichtlich gemeinsam veröffentlichter Beiträge hin untersucht. Zusätzlich zu dieser umfassenden Netzwerkanalyse wurden alle 1.441 Stories der 20 aktivsten Accounts dieses Netzwerkes zwischen dem 1. Juli und dem 7. Juli 2024 analysiert, um Aufschlüsse über die Rolle der geteilten Medien zu gewinnen. Die Ergebnisse zeigen, dass neben der Mobilisierung zu Protesten auch die Inszenierung als Gegenstimme zur deutschen Medienlandschaft eine zentrale Rolle spielt. Geteilt wurden vornehmlich Inhalte von Accounts und Medienseiten mit einseitigem antiisraelischem Profil, die bereits in der Vergangenheit durch die Nähe zur Muslimbruderschaft, der Hamas, der türkischen AKP oder dem Iran und der Verbreitung ihrer propagandistischen Inhalte auffielen. Ausländische Propagandakanäle machen den überwiegenden Teil der geteilten Informationsmedien im Kontext des Nah-Ost-Konfliktes im Beobachtungszeitraum aus. Die 1.441 untersuchten Stories nahmen in 178 Fällen auf Medien Bezug:

Abbildung 1: Geteilte Medien in antisemitismusoffenen Netzwerken auf Instagram nach verschiedenen Kategorien

Die zentralen Akteur:innen des Protestmilieus teilen insbesondere Inhalte staatlicher und staatsnaher Propagandamedien mit einseitig antiisraelischem bis antisemitischem Profil, etwa aus dem Al-Jazeera- und TRT-Netzwerk. Darüber hinaus werden auch zahlreiche Inhalte von Nachrichtenseiten verbreitet, bei denen eine intransparente Finanzierungslage vorliegt. In ihrer Berichterstattung zeigten sie deutliche Sympathien für die herrschenden Regime im Iran und Syrien oder für die Terrororganisation Hamas. Dazu gehören beispielsweise die Nachrichtenkanäle Mint Press News oder Middle East Eye. Auch die Nachrichtenplattform Red., deren Instagram-Accounts inzwischen durch Meta gesperrt wurden, gehört zu den zentralen rezipierten und geteilten alternativen Informationsformaten. Medienrecherchen Anfang Juni 2024 zeigen die mutmaßlichen Verbindungen von Red. nach Moskau auf. Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei Red. um ein Nachfolgeprojekt der Videoplattform Redfish handelt, die bis zur Sanktionierung von RT DE Teil eines russischen Propagandanetzwerks war. Die Sperrung der Accounts erfolgte im Rahmen der Ankündigung Metas, russische Staatsmedien wie RT und weitere auf seinen Plattformen Instagram, Facebook und WhatsApp zu verbannen. Zuvor hatte auch der US-amerikanische Außenminister Blinken Red. als Beispiel für eine verdeckte russische Einflussnahme genannt. Formate wie Red. und Mint Press News richten sich mit ihren Inhalten an eine eher linke Rezipient:innengruppe. Die bislang von Red. veröffentlichten Exklusivberichterstattungen über mehrere antiisraelische Protestaktionen in deutschen Städten weisen darauf hin, dass die Videoplattform strategisch in die Proteste und ihre öffentlichkeitswirksame Inszenierung eingebunden ist. Auch gemeinsam veröffentlichte Instagram-Inhalte über die sogenannte Collaboration-Funktion sprechen für eine strategische Zusammenarbeit zwischen Red. und antiisraelischen Netzwerken.

Instagram-Netzwerk: Brückenfunktion großer Accounts als Verbreitungsstrategie

Das aus den Untersuchungsdaten ableitbare erweiterte Netzwerk veröffentlichte bei etwa 82 Prozent der insgesamt erfassten 1.001 Beiträge sogenannte „Collaboration“-Posts. Die stark verbreitete Strategie der Zusammenarbeit gemeinsam veröffentlichter Inhalte erlaubte eine stichpunktartige Analyse des Netzwerks innerhalb des antiisraelischen Protestmilieus.

Abbildung 2: Zusammenarbeit in antisemitismusoffenen Netzwerken auf Instagram im Hinblick auf gemeinsam veröffentlichte Inhalte

Einige zentrale Accounts erfüllen innerhalb des gesamten Netzwerkes bestimmte Funktionen: So fungieren die drei am häufigsten in „Collaboration“-Posts eingebundenen Accounts als Co-Autor:innen und veröffentlichen weniger eigene Inhalte. Sie übernehmen damit eine Brückenfunktion und verhelfen einerseits den Inhalten kleinerer Accounts zu deutlich höheren Reichweiten, gleichzeitig können sie selbst vom Content anderer Accounts profitieren. Die Aktivist:in des Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden Udi Raz, die zu den zentralen Akteur:innen der antiisraelischen Proteste gehört, produzierte beispielsweise nur knapp 23 Prozent ihrer geteilten Beiträge selbst.

Intransparente Medienformate als mögliche Beeinflussungsstrategie

Anfang Juli dieses Jahres warnte Avril Haines, Director der National Intelligence in der US-Administration von US-Präsident Joe Biden, bereits vor der möglichen Unterwanderung der antiisraelischen Proteste durch iranische Regierungsakteur:innen in den USA. Dass das Netzwerk rund um zentrale Akteur:innen des antiisraelischen Protestmilieus in Deutschland empfänglich für intransparente ausländische Medienformate ist, teils auch bekannte Propagandamedien innerhalb des Netzwerks Verbreitung finden, ist angesichts der Bemühungen autoritärer Regime, die Gesellschaften liberaler Demokratien weiter zu spalten daher durchaus ein Grund zur Beunruhigung.

Ein Blick auf die Medienformate Red., Mint Press News und Middle East Eye verdeutlicht die potenzielle Risikolage: Wenn hinreichende Verdachtsmomente bestehen, dass ausländische staatliche Akteur:innen involviert sind und diesen möglichen Verbindungen nicht konsequent nachgegangen wird, bieten diese Formate ein weiteres Einfallstor für ausländische Einflussnahme durch die Instrumentalisierung bestehender Konfliktlagen und die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Diese Strategie scheint auch in Deutschland aufzugehen:

Beispiele wie Red., aber auch bekannte Propagandakanäle wie das Al-Jazeera-Netzwerk zeigen, dass bestehende nationale und internationale Konfliktlagen ausländischen Akteur:innen als Sprungbrett dienen können, um innere Spaltungsprozesse und Einmischungsversuche in liberale Demokratien weiter voranzutreiben. Sowohl offene als auch undurchsichtige Propagandakanäle treffen im Kontext der antiisraelischen und mindestens antisemitismusoffenen Proteste auf ein Publikum, dessen Medienskepsis zunehmend als Medienzynismus offen artikuliert wird und sich für ausländische Akteur:innen von vorteilhaftem Nutzen erweist, um die gesellschaftliche und politische Polarisierung in Deutschland voranzutreiben.

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