Nur einen Klick vom Rechtsterror entfernt

Dieser Weg kann ein leichter sein

Telegram gilt seit Beginn der Pandemie als einer der zentralen Plattformen für verschwörungsideologische Akteur:innen. Obwohl die App als Messenger-Dienst bekannt ist, bietet sie deutlich mehr Funktionen (wie Kanäle, Gruppen) und kann deswegen eher als Social Media Plattform verstanden werden. Eine zentrale Schwierigkeit im Umgang mit der App ist, dass seitens Telegram kaum Inhalte moderiert oder gelöscht werden.

Das macht sie auch für rechtsterroristische Akteur:innen attraktiv: Videos des Attentats in Christchurch, Neuseeland, bei dem 2019 insgesamt 51 Menschen getötet wurden, verherrlichende Posts über den rechtsterroristischen Attentäter, der 2020 im hessischen Hanau zehn Menschen ermordete, und sog. Sticker mit eindeutig antisemitischen Vernichtungsfantasien finden sich auf der Plattform zuhauf. Kanäle, welche diese Botschaften propagieren, werden auch immer wieder durch große verschwörungsideologische Accounts wie z. B. von Xavier Naidoo verbreitet. An seinem Beispiel lässt sich sehr gut zeigen: Der Terror bei Telegram ist – vor allem bei Naidoo – oft nur einen Klick entfernt.

Screenshot einer Weiterleitung eines antisemitischen Beitrags von Attila Hildmann durch Xavier Naidoo

Der Telegram-Kanal „Xavier Naidoo (offiziell)“ existierte seit März 2020. Gegründet wurde der Kanal von Fans, erst später, ab dem 18.04.20, finden sich auch Beiträge von Naidoo selbst, welcher mit der Gründerin, eine Person die unter dem Pseudonym „Engel mit Feuer“ auftritt, seit spätestens 05.02.2020 über Telegram in Kontakt stand. Mittlerweile stammen die meisten Beiträge auf dem Kanal von ihm selbst - etwa 85% der knapp 17.500 Beiträge. Im Laufe des Jahres 2020 wurde der Kanal in „Xavier Naidoo (inoffiziell)“ umbenannt – allerdings nicht vor dem Hintergrund, dass Xavier Naidoo nicht mit dem Kanal in Verbindung stehen möchte – vielmehr, weil er auf dem Kanal laut eigener Aussage seine „ungefilterte Meinung“ veröffentlichen möchte (siehe Screenshot).

Screenshot zur Umbennenung des Kanals in Xavier Naidoo inoffiziell am 29. September 2020 von Xavier Naidoo

Diese „ungefilterte“ Meinung zeigt sich auch durch die Verbreitung von potenziell strafrechtlich relevanten Inhalten: Am 22. Februar 2021 teilt Xavier Naidoo über seinen Kanal beispielsweise die antisemitische Hetzschrift „Protokolle der Weisen von Zion“ in der Fassung von Alfred Rosenberg, dem frühen Chefideologen der NSDAP. Die sogenannten „Protokolle“ sind seit Veröffentlichung Anfang des 20. Jahrhunderts Grundlage der antisemitischen Ideologie von Faschisten, Islamisten und Rechtsextremen weltweit und werden bis heute als Rechtfertigung für antisemitische Vernichtungsfantasien und Gewalttaten genutzt.

Screenshot der Telegram-Weiterleitung von Xavier Naidoo mit dem Anhang “Die Protokolle der Weisen” als PDF

Beiträge wie diese sind im Kanal von Naidoo oft in Form von Weiterleitungen anderer Kanäle zu finden. Insgesamt 822 verschiedene Kanäle werden an die derzeit insgesamt 117.000 Abonnent:innen weitergeleitet. Durch unsere Recherche konnten wir sehen, dass dabei über 150-mal sogar Nachrichten aus Kanälen, welche dem sogenannten „Terrorgram“ zugeordnet werden können, weitergeleitet wurden. Sogenannte Terrorgram-Kanäle verbreiten z. B. Anleitungen zum Bau von Bomben und Waffen oder die Manifeste von Terroristen.

Screenshot einer Telegram-Weiterelitung von Naidoo aus einem rechtsterroristischen Kanals über vermeintliche jüdische Wurzeln der Mitarbeiter:innen des US-Präsidenten Biden Weiterleitung eines antisemitischen Beitrags eines rechtsterroristischen Kanals. Der Kanalname wurde unkenntlich gemacht.

Die Verbindung von verschwörungsideologischen und rechtsterroristischen Kanälen zeigt sich bei Naidoo oft über antisemitische Erzählungen. In einem 30-mal von Naidoo geteilten Kanal findet sich die bei Rechtsextremen beliebte Meme-Figur „Pepe, der Frosch“, der einen BPoC erhängt („Make executions great again“) sowie über 13 Beiträge, die den Attentäter des rechtsterroristischen Massenmords in Christchurch verherrlichen.

Screenshot einer Telegram-Weiterleitung von Naidoo aus einem rechtsterroristischem Kanal Xavier Naidoo teilt diesen Kanal 30-mal.

Screenshot eines Beitrags in einem rechtsterroristischen Kanal mit Verweis auf ein Zitat eines Rechtsterrorismus In dem insgesamt 30-Mal von Naidoo geteilten Kanal finden sich mehr als 13 Beiträge, die den Attentäter des rechtsterroristischen Massenmords in Christchurch verherrlichen. In diesem Beitrag wird aus dessen „Manifest“ zitiert. Er argumentiert hier für das Ermorden von „Eindringlingen“ jedes Alters, sonst müssten die eigenen Kinder „das Morden“ übernehmen.

Die von Naidoo geteilten rechtsterroristischen Kanäle haben oft nur geringe Reichweite. Der hier dargestellte Kanal (hier mit unkenntlich gemachtem Namen) hat lediglich 3.200 Abonnent:innen und wurde von Naidoo mehrmals weitergeleitet. Die Kanalbeschreibung ist eindeutig antisemitisch, homophob und rassistisch – in den Profilbildern des Kanals finden sich mehrere Hakenkreuze.

Screenshot der Kanalbeschreibung eines von Naidoo weitergeleiteten Kanals Der Kanalname und rassistische sowie homophobe Beleidigungen wurden unkenntlich gemacht.

Durch das Teilen dieser wertet Naidoo diese Kanäle auf. Er verhilft ihnen zu größerer Reichweite, übernimmt ihre Inhalte und ermöglicht seinen Anhänger:innen, innerhalb weniger Klicks den Einstieg in die radikale und menschenverachtende Welt Terrorgrams.

Seit Beginn der Pandemie verzeichnete die Plattform einen gewaltigen Anstieg an neuen Nutzer:innen. Da Telegram eine weitgehend unmoderierte Plattform darstellt, konnte sich hier eine große rechtsterroristische Szene etablieren. Noch nie war für eine breite Masse der Zugang zu diesen rechtsterroristischen Inhalten so einfach - wie sich hier zeigt, sind diese oft nur einen Klick entfernt.

Auch wenn nicht alle 116.000 Subscriber von Naidoos Kanal auf die weitergeleiteten Kanäle klicken werden, bietet ihnen der verschwörungsideologische Popstar einen einfachen Einstieg in rechtsterroristische Welten, den es vor der Pandemie so nicht gab.

Der Spiegel berichtete unter Nutzung von CeMAS-Daten über das mangelhafte Vorgehen der Plattform Telegram gegen kriminelle und rechtsterroristische Inhalte.

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