Über den Teller­rand: Die Prepper­szene und das rechts­extreme und ver­schwörungs­ideologische Milieu

Autor:innen: Mischa Luy

Die deutsche Prepper-Szene hat in den vergangenen Jahren stetig Zuwachs zu verzeichnen, zeigen Datenauswertungen. Für Teile der Szene ist Bewaffnung festes Element der Krisenvorsorge. Auch kommt es zu Überschneidungen mit dem rechtsextremen und verschwörungsideologischen Milieu.

Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den damit verbundenen Unsicherheiten, beschäftigen sich viele Menschen mit der Frage der Krisenvorsorge, die auch vom Bundesamt für Katastrophenschutz empfohlen wird. Um das eigene Überleben, auch im Falle eines temporären oder längerfristigen Zusammenbruchs der gesellschaftlichen Ordnung, abzusichern, betreiben sogenannte Prepper:innen eine eigene Form der Katastrophen- und Krisenvorsorge. Bei manchen Prepper:innen übersteigt dies das empfohlene Maß der Bundesregierung deutlich. Nicht mehr nur eine Bevorratung mit Lebensmitteln findet dort statt, sondern die Maßnahmen reichen bis hin zur Anschaffung von Stromgeneratoren, dem Zulegen von Bewaffnung oder gar dem Ausheben von Bunkern.

Auch im Zuge der anhaltenden Corona-Pandemie und den hiermit einhergehenden Unsicherheiten gab es ein gesteigertes gesellschaftliches und mediales Interesse an der Praxis des Preppens. Der durch Hamsterkäufe hervorgerufene Mangel an Klopapier trug Züge einer selbsterfüllenden Prophezeiung und wurde von Prepper:innen, wie auch von manchen nicht preppenden Personen, als Bestätigung der Kassandrarufe der Prepper-Szene empfunden. Bekannt wurde die deutsche Prepper-Szene zudem durch die Ermittlungen und Berichterstattungen rund um die Gruppe Nordkreuz seit 2017.

Bewaffnung in der Prepper-Szene

Innerhalb der Prepper-Szene kursiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Katastrophenszenarien. Die Vorstellung eines Stromausfalls bis hin zum europaweiten Blackout zählte bereits vor der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Standardrepertoire möglicher Krisen. Doch spätestens seit diesen Ereignissen sind Krisenwinter- und Blackoutszenarien zentraler Bestandteil des Erwartungshorizonts bei Prepper:innen. Im Kontext der Corona-Pandemie dominierten zuvor noch Befürchtungen krankheitsbedingter Versorgungsengpässe in Supermärkten und ein durch Personalmangel hervorgerufener Zusammenbruch der kritischen Infrastruktur.

Neben Bevorratungsmaßnahmen, technischen Infrastrukturen zur Kommunikation, Stromgenerierung oder Wärme- und Wasserversorgung sind bei Teilen der Prepper:innen Bewaffnungen Element der Vorbereitungspraxis. Diskussionen über Waffen und Selbstverteidigung gehören zum festen Themenkanon der verschiedenen Foren, Telegram- und Facebookgruppen sowie YouTube-Kanälen, die sich mit Survival und Preppen beschäftigen. Gleichzeitig liegen keine belastbaren Zahlen zur Größe der Prepper-Szene in Deutschland vor. Gleiches gilt für den Verbreitungsgrad von Bewaffnung bei Prepper:innen.

Warum bewaffnen sich Prepper: innen?

Im Denken der Prepper:innen findet sich ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Bewusstsein für individuelle und gesellschaftliche Vulnerabilität, das sich auch in einem persönlichen Bedrohungsgefühl äußert. Bei manchen Prepper:innen mischt sich dies mit einem spezifischen Menschen- und Gesellschaftsbild. Dieser Subgruppe zur Folge halte allein das staatliche Gewaltmonopol die Gesellschaft zusammen, während unter der Oberfläche latent Gewalt und Gefahr lauere, die nur darauf warte im Katastrophenfall manifest zu werden. Hinzu kommen bei Teilen der Szene kulturpessimistische Zeitdiagnosen von Polarisierung, Werteverfall und Dekadenz.

Befürchtete Krisen wie ein Blackout wirken bisweilen in den Szenarien als Katalysatoren für bereits bestehende gesellschaftliche Verfalls- und Desintegrationsprozesse. Dabei seien staatliche Institutionen im Krisenfall durch Überlastung geschwächt. Notwendige Infrastrukturen fielen aus oder Behörden hätten aufgegeben und ihre Beamt:innen kämpften in dieser Vorstellung nun selbst um ihr Überleben. In Folge von Hunger und Straffreiheit käme es unweigerlich zu Plünderungen, Morden und Vergewaltigungen durch Mitmenschen. Teile der Szene prognostizieren einen derartigen Zusammenbruch der sozialen Ordnung bereits nach 48-72 Stunden.

Bewaffnung wird daher von einigen Prepper:innen als unerlässlich für die Selbstverteidigung erachtet. Im Katastrophenfall gälten andere Menschen primär als potenzielle Konkurrenz und Bedrohung, gegen die man sich notfalls mit Waffengewalt durchsetzen müsse.

Wie ist das Verhältnis von Preppen und Rechtsextremismus?

Online lassen sich Überschneidungen zwischen Teilen der Prepperszene, Querdenkerbewegung, verschwörungsideologischen Souveränist:innen, Reichsbürger:innen sowie dem rechtsextremen Milieu beobachten. Radikalisierungspotenziale bestehen besonders dort, wo sich diese Strömungen in digitalen Räumen treffen und austauschen.

Anschlussfähig sind die Phänomene untereinander, weil sie sich in ihrem Misstrauen gegenüber etablierter Politik, sogenannten Eliten, Expert:innen des „Mainstreams“ und staatlichen Institutionen treffen. Ebenso teilen sie eine hohe Affinität für Verschwörungsdenken, Krisennarrative und Untergangsszenarien. Gemeinsam ist die Idee, Parallelstrukturen zum Staat aufzubauen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt und mit verschiedenen Motivationen.

Der Wunsch nach einer autarken subsistenzwirtschaftlichen Lebensmittelversorgung, die nicht auf anfällige Lieferketten oder staatliche Hilfe vertraut, ist bei Prepper:innen handlungsanleitend. Der Staat gilt als zu passiv oder teils dysfunktional. Preppende Querdenker:innen befürchteten weitreichende Einschränkungen für ungeimpfte Personen, wie beispielsweise ein generelles Einkaufsverbot, sodass eine Selbstversorgung notwendig erschien. Movens von Souveränist:innen und Reichsbürger:innen ist hingegen ein verschwörungsideologischer Souveränismus, in dem die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitim anerkannt und der Staat in seiner jetziger Form abgelehnt wird.

Ängste vor Blackouts und einem Krisenwinter werden auch gezielt von rechten Akteur:innen zur politischen Mobilisierung genutzt und befördert. So betreibt beispielsweise die AFD ein „Blackoutmelder-Portal“. Rechtsextreme Akteur:innen versuchen zudem ökonomisches Kapital aus der aktuellen Situation zu schlagen. Im Sortiment des Kopp Verlags finden sich eine Reihe von Büchern rund um die Themen Blackout, Krisenvorsorge und Bewaffnung. Unter der Rubrik „Outdoor und Survival“ wird Ausrüstung zur Krisenvorsorge wie auch waffenscheinfreie Bewaffnung zum Verkauf angeboten. Preppen ist längst zu einem profitablen Geschäftszweig geworden und Anbieter von Survival- und Preppingprodukten werben in einschlägigen Telegramgruppen:

CeMAS Telegram Screenshot vom 11.12.2022 16:55 Uhr: 'Survival Kit in praktischer Alu-Box' CeMAS Telegram Screenshot vom 30.11.2022 18:09 Uhr: 'LED Winkeltaschenlampe'

Noch einmal zu differenzieren ist jedoch zwischen rechtsextremen Prepper:innen und preppenden Rechtsterrorist:innen. Der Erwartungshorizont von rechtsextremen Prepper:innen speist sich aus einer rechtsextremen Weltanschauung und dem hierin enthaltenen Menschen-, Geschichts- und Gesellschaftsbild. Die Vorbereitungen folgen jedoch nach wie vor der Grundidee des Preppens, mit den Folgen eines Ereignisses besser umzugehen. Bei Rechtsterrorist:innen sind die Vorbereitungsmaßnahmen in eine politischen Praxis eingebettet, die darauf abzielt einen „Tag-X“ zum Zwecke des Umsturzes selbst herbeizuführen oder einen erhofften Krisenfall gewaltsam zu nutzen. Auch im QAnon-Milieu gibt es Züge einer apokalyptischen Semantik. Dort wird den „10 Days of Darkness“ als herbeigesehntem „Tag X“, nach dem die goldene Zeit, das „Great Awakening“, beginnen würde, sogar entgegengefiebert.

Verschwörungsdenken und Preppen

Verschwörungsnarrative in Teilen der Prepperszene fungieren als vermeintliche Erklärung von Krisenkonjunkturen und konstruieren zugleich eine akute Bedrohungslage mit Feindbildern. Beides validiert und steigert Bedrohungsgefühle, was wiederum Bewaffnungen noch einmal notwendiger erscheinen lässt. Preppen und Bewaffnung stellen dann praktische Reaktionsmöglichkeiten auf wahrgenommene Krisenerscheinungen und ein empfundenes Bedrohungsgefühl dar. In einer Prepper Chatgruppe wird beispielsweise die These diskutiert, dass hinter der Energiekrise der Staat selbst stecke, um so auf den sogenannten „Great Reset“ hinzuarbeiten.

Prognose

Für Deutschland ist ein deutlicher Anstieg an Personen mit kleinem Waffenschein zu verzeichnen. Während 2014 noch 260.000 kleine Waffenscheine deutschlandweit registriert waren, waren es 2016 schon 469.741, im April 2022 dann bereits 756.000 und im September 2022 existierten 768.287 Einträge.

Anzahl der registrierten kleinen Waffenscheine in Deutschland

Eine Zunahme an Bewaffnung zeigt sich darüber hinaus bei Rechtsextremen und Reichsbürger:innen:

Rechtsextreme und Reichsbürger:innen mitwaffenrechtlicher Erlaubnis von 2019 bis 2020

Der Anstieg an kleinen Waffenscheinen seit 2014 könnte mit der vermehrten Fluchtmigration im Jahr 2015 zusammenhängen. Das rassistische Narrativ einer angenommenen Veränderung der Sicherheitslage durch Geflüchtete, eines bevorstehenden Zusammenbruchs des Sozialsystems in Folge von massenhafter Zuwanderung oder auch die Verschwörungserzählung eines sogenannten Großen Austauschs kursieren in rechten Kreisen und in Teilen der Prepperszene. Selbstbewaffnung wurde in diesem Kontext immer wieder als vermeintlich notwendige Selbstverteidigung propagiert. Die weitere Zunahme von kleinen Waffenscheinen fällt zeitlich mit der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zusammen.

Anzunehmen ist, dass eine Bewaffnung besonders prävalent unter Prepper:innen mit rechten bis extrem rechten Weltanschauungen ist. Den Mitgliederzahlen diverser Prepper-Gruppen auf Facebook und Telegram nach zu urteilen, verzeichnet die Prepperszene zudem insgesamt einen stetigen Zuwachs seit 2017. Diese Tendenz wird angesichts multipler Krisen wahrscheinlich anhalten.

Über den Autor: Mischa Luy ist Sozialwissenschaftler und forscht zu den Themen Prepping, Rechtsterrorismus und Verschwörungsideologie. Derzeit promoviert er über die Prepper-Szene in Deutschland.

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