Gewaltsamer Umsturz: Rechtsextreme Terrornetzwerke planen Angriffe auf Stromnetzwerke

In den letzten Jahren hat sich in Deutschland und den USA eine alarmierende Entwicklung abgezeichnet: Terrorgruppen nehmen vermehrt das Stromnetzwerk ins Visier. Dieses Vorgehen wirft Fragen nach den Absichten und potenziellen Auswirkungen auf: Ein Blick auf die Fälle der letzten Jahre in den USA und Deutschland, um die Bedrohung und ihre möglichen Konsequenzen zu verstehen.

Die Ermittlungen und Anklagen gegen rechtsextreme Terrorgruppen, die terroristische Anschläge als Mittel zum Umsturz der demokratischen Ordnung sehen, kennen wir seit einiger Zeit aus den USA. Zuletzt haben sie sich jedoch auch in Deutschland gehäuft. Ihr Ziel ist es, durch Gewaltakte gesellschaftliche Unruhen herbeizuführen oder sogar einen Bürger- oder Rassenkrieg zu entfachen, um so einen gewaltsamen Regierungswechsel herbeizuführen.

Angriffe auf Stromnetzwerke in den USA

Geplante Angriffe auf kritische Infrastruktur wie Stromnetzwerke sind als zentrale Strategie militanter Akzelerationisten bekannt. Dieser gewaltbereite Flügel der rechtsextremen Szene betrachtet solche Angriffe als Startpunkt für einen Bürger- oder Rassenkrieg. In den letzten Jahren hat sich diese theoretische Fantasie immer häufiger in tatsächlichen Anschlagsplänen und Angriffen konkretisiert. Laut einer Studie des Program on Extremism der George Washington University von September 2022 wurden in den USA zwischen 2016 und 2022 insgesamt 13 Personen, die mit der White Supremacists Bewegung in Verbindung stehen, dafür angeklagt, Angriffe auf die elektrische Infrastruktur zu planen. Elf dieser Anklagen erfolgten allein seit 2020. Ein jüngstes Beispiel ist die Anklage gegen den Gründer der „Atomwaffen Division“ Brandon Russell und seine Partnerin Sarah Clendaniel. Ihnen wird vorgeworfen, geplant zu haben, das Stromnetzwerk in Baltimore anzugreifen.

Auch in Europa sind ähnliche Aktivitäten von militanten Akzelerationisten zu beobachten. Am 22. Mai 2022 wurde ein 22-jähriger Slowake verhaftet, der das politische System durch Sabotage und Terrorismus stürzen wollte. Ihm wird vorgeworfen, Anleitungen für die Herstellung automatischer Waffen, Sprengstoff und Minen, sowie Anleitungen für Sabotageanschläge auf Kommunikations-, Wasser- und Strominfrastruktur verbreitet zu haben.

Regierungssturz durch Terror in Deutschland

Es ist nicht nur in der von den USA beeinflussten Subkultur der militanten Akzelerationisten zu sehen, dass Rechtsextreme in den letzten Jahren von den traditionellen Strategien zur Machtergreifung, etwa durch Partei- oder Metapolitik, abweichen und stattdessen auf terroristische Handlungen setzen, um einen Bürgerkrieg auszulösen. Auch in Deutschland häufen sich die Fälle, bei denen Rechtsextreme ihre Umsturzfantasien in konkrete terroristische Pläne übersetzen.

Die Gruppe „Revolution Chemnitz“ war eine der ersten deutschen Gruppen der letzten Jahre mit einem solchen Umsturzvorhaben: Am 3. Oktober 2018 planten sie gewaltsame Angriffe und bewaffnete Attacken in Berlin gegen von ihnen als migrantisch gelesene Mitbürger:innen und politisch Andersdenkende. Ihr Ziel war es, eine Serie von gewaltsamen Aktionen einzuleiten, um eine „Systemwende“ herbeizuführen. Die Mitglieder versuchten, halbautomatische Schusswaffen zu erwerben und bezeichneten den NSU im Vergleich zu sich selbst als „Kindergarten-Vorschulgruppe“. Am 24. März 2020 wurden acht Mitglieder der Gruppe wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstößen gegen das Waffengesetz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Am 22. Februar 2023 durchsuchten Ermittler sechs Objekte in Bayern. Gegen insgesamt sechs Beschuldigte wird seit dem vergangenen Jahr wegen Bildung und Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Sie sollen ab September 2020 geplant haben, durch Sabotage von Strommasten einen großflächigen Stromausfall in Deutschland herbeizuführen, um anderen Gruppen die Übernahme der Macht zu ermöglichen.

Seit dem 17. Mai 2023 wird ein weiteres terrorverdächtiges Netzwerk vor Gericht verhandelt. Die Mitglieder der Gruppe „Vereinte Patrioten“ sind wegen Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, durch die Beschädigung oder Zerstörung wichtiger Einrichtungen der Stromversorgung einen bundesweiten Stromausfall herbeiführen zu wollen. Dieser sollte langanhaltend sein und bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland auslösen, um den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen.

Weiter wurden am 30. November 2023 elf Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „Gruppe S.“ wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt. Ihr Plan war es, mit Anschlägen auf Moscheen einen Bürgerkrieg in Deutschland zu verursachen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die terroristische Vereinigung das Ziel hatte, die politische Ordnung in Deutschland zu stürzen.

Besorgniserregend ist, dass sowohl die rechtsextreme Gruppe aus Bayern als auch die „Gruppe S.“ ihre Taten als Teil einer weitreichenden Bewegung betrachteten. Sie waren überzeugt, dass es in Deutschland zahlreiche andere rechtsextreme Gruppen gibt, die nur auf den richtigen Zeitpunkt warten, um gewaltsam die demokratische Ordnung des Landes aufzulösen. Bezeichnend ist bei diesen Gruppen die Entwicklung der sehr konkreten Pläne, die ihnen vorgeworfen werden. Sowohl die bayerische Gruppe als auch die „Vereinten Patrioten“ sehen gezielte Angriffe auf das Stromnetzwerk als geeignete Mittel, um so viel Chaos zu erzeugen, dass eine Machtübernahme möglich wird, und waren in ihren Planungen der Angriffe bereits fortgeschritten.

Beunruhigende zeitgleiche Entwicklung

Mit Ausnahme der bevorzugten Social-Media-Plattform Telegram haben die genannten deutschen Gruppen wenig gemeinsam mit der Subkultur der militanten Akzelerationisten, die zwar zentral von Personen aus den Vereinigten Staaten geprägt ist, jedoch weltweit digital vernetzt ist und agiert. Gruppen militanter Akzelerationisten setzen sich eher aus sehr jungen Mitgliedern, oft Minderjährigen, zusammen, sind äußerst Internet-affin und nehmen aktiv an internationalen Diskursen über modernen Rechtsterrorismus teil, die von Kräften aus den USA vorangetrieben werden. Im Gegensatz dazu, sind die Mitglieder der deutschen Gruppen deutlich älter und eher dem verschwörungsideologischen und souveränistischen Milieu zuzuordnen.

Auch die theoretischen Vordenker militanter Akzelerationisten und der deutschen Gruppen unterscheiden sich: Während sich der militante Akzelerationismus etwa auf Schriften wie „Siege“ oder „The Turner Diaries“ beruft, finden verschwörungsideologische und souveränistische rechtsterroristische Gruppierungen detaillierte Anleitungen für Angriffe auf Stromnetzwerke im Buch „Der totale Widerstand. Kleinkriegsanleitung für jedermann“ des ehemaligen Schweizer Majors Hans von Dach aus dem Jahr 1957. Diese Anleitungen wurde mindestens 81-mal in deutschsprachigen rechtsextremen und verschwörungsideologischen Telegramkanälen und -gruppen geteilt. Einer der Beiträge erreichte dort über 50.000 Aufrufe, insgesamt erhielten die 48 Beiträge in diesen Kanälen über 192.000 Aufrufe.

Screenshot einer auf Telegram geteilten Anleitung für Angriffe auf Stromnetzwerke aus dem Buch „Der totale Widerstand. Kleinkriegsanleitung für jedermann“
Screenshot einer auf Telegram geteilten Anleitung für Angriffe auf Stromnetzwerke aus dem Buch „Der totale Widerstand. Kleinkriegsanleitung für jedermann“

Rechtsextreme Terrorgefahr auch im digitalen Raum ernstnehmen

Es ist beunruhigend zu sehen, dass sowohl in den USA als auch in Deutschland rechtsextreme Gruppen die Idee verfolgen, durch terroristische Angriffe einen Bürger- oder Rassenkrieg auszulösen, wobei sie einen Angriff auf die Strominfrastruktur als Ausgangspunkt wählen. Obwohl die Vorstellung eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs und das Wiederaufleben zahlreicher bereitstehender rechtsextremer Terrorgruppen nach einem Angriff auf das Stromnetzwerk eher als rechtsextreme Fantasievorstellung betrachtet werden kann, besteht die ernsthafte Gefahr erheblichen Schadens und einer Bedrohung für Menschenleben bei einem großflächigen Stromausfall.

Die von rechtsextremen Terrorplänen in Deutschland ausgehende Gefahrenlage sollte keinesfalls unterschätzt werden. Daher ist es entscheidend, dass Sicherheitsbehörden ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf digitale Plattformen, insbesondere Telegram, richten, um die Radikalisierung und die Planung solcher Taten zu überwachen und die Umsetzung zu unterbinden.

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