Verschwörungsglaube und die Ablehnung von Windrädern

Autor:innen: Kevin Winter

Windenergie spielt eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele. Ihr Ausbau scheitert aber häufig am Widerstand der lokalen Bevölkerung. Die psychologische Forschung zeigt, dass Verschwörungsglaube zur Ablehnung von Windrädern beiträgt. Menschen lassen sich jedoch durch Argumente vom Bau der Windräder überzeugen – auch diejenigen mit einer generellen Neigung zum Verschwörungsglauben.

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist entscheidend, um die internationalen Klimaziele zu erreichen und den Ausstoß von CO₂ drastisch zu verringern. Dabei wird der Windenergie ein großer Beitrag zugeschrieben.1 So hat sich beispielsweise die Bundesregierung ehrgeizige Ziele zum Ausbau der Windenergie in Deutschland gesetzt. Sie möchte zwei Prozent der Landesfläche für Windräder zur Verfügung stellen.2 Im Allgemeinen steht ein großer Teil der Bevölkerung Windenergie positiv gegenüber.3 Bei der Realisierung von Windenergieprojekten regt sich aber häufig Widerstand vor Ort.4 Um den Ausbau der Windenergie voranzubringen, ist es daher enorm wichtig zu verstehen, wann Menschen den Bau von Windrädern in ihrer Nähe ablehnen und wie man diesem Widerstand begegnen kann.

Wann befürworten Menschen Windräder und wann sind sie dagegen?

Forschende konnten zeigen, dass die Akzeptanz von Windrädern hoch ist, wenn die Bevölkerung den beteiligten Parteien – beispielsweise der Politik und den ausführenden Energieunternehmen – vertraut.5 Auch die wahrgenommene Gerechtigkeit im Planungs- und Bauprozess trägt zur Akzeptanz von Windrädern bei.6 Darüber hinaus ist bisher aber wenig über die psychologischen Merkmale bekannt, die zur Ablehnung von Windrädern beitragen. In anderen Bereichen – beispielsweise beim Thema Impfungen oder der Ablehnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen – spielen die persönlichen Überzeugungen und Weltanschauungen von Menschen eine große Rolle.7, 8 Besonders der Glaube an Verschwörungserzählungen trägt bei diesen Themen zu einer ablehnenden Haltung bei. Verschwörungsglaube bezeichnet die Tendenz, geheime und böswillige Absprachen mächtiger Personen hinter gesellschaftlichen Ereignissen zu vermuten.9 Doch welche Rolle spielt Verschwörungsglaube bei der Ablehnung von Windrädern?

Warum Verschwörungsglaube eine Rolle spielen könnte

Es gibt mehrere Gründe, warum Verschwörungsglaube sich auch in der Ablehnung von Windrädern widerspiegeln könnte. Zum einen kursieren unterschiedliche Falschinformationen und Verschwörungserzählungen über Windräder. Beispielweise führen Gegner:innen von Windrädern häufig deren scheinbare negative gesundheitliche Auswirkungen als Argument an.10 Dabei weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass Windräder keine Gefahr für die Gesundheit darstellen.11 Außerdem geht Verschwörungsglaube mit einem erhöhten Misstrauen – vor allem gegenüber Autoritäten wie Politik und Wissenschaft – einher.12 Da das Vertrauen in die beteiligten Parteien wichtig für die Akzeptanz von Windrädern ist, sollte ein erhöhter Verschwörungsglaube also mit einer größeren Ablehnung von Windrädern einhergehen. Genau diesen Zusammenhang konnten wir, ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen und der University of Queensland in Brisbane (Australien), in einer Studienreihe nachweisen.

Je stärker der Verschwörungsglaube, desto größer die Ablehnung von Windrädern

In mehreren Studien baten wir die Teilnehmenden sich vorzustellen, dass in der Nähe ihres Wohnortes der Bau von fünf Windrädern geplant sei. Anschließend hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, in einem vorgestellten Referendum über den Bau der Windräder abzustimmen. Es zeigte sich, dass die generelle Neigung, an Verschwörungserzählungen jeglicher Art zu glauben – eine sogenannte Verschwörungsmentalität – mit einer erhöhten Ablehnung der Windräder einherging. Die Verschwörungsmentalität spielte hierbei eine größere Rolle als Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad. Sogar ob die Befragten sich politisch eher links oder rechts einordneten, war deutlich weniger entscheidend. Noch größer war der Zusammenhang, wenn die Teilnehmenden an eine konkrete Verschwörungserzählung rund um den Bau der Windräder glaubten – beispielsweise, dass es geheime Absprachen zwischen der lokalen Politik und dem ausführenden Energieunternehmen gibt. Insgesamt trägt der Glaube an Verschwörungserzählungen also entscheidend zur Ablehnung von Windrädern bei.

(Wie) kann man der Ablehnung von Windrädern begegnen?

Im öffentlichen Diskurs besteht die verbreitete Annahme, dass Menschen mit einem Hang zum Verschwörungsglauben nicht offen für rationale Argumente und nur schwer zu beeinflussen seien. Ob dies beim Thema Windkraft der Fall ist, untersuchten wir in unserer Studienreihe. Wir präsentierten einem Teil der Teilnehmenden Informationen rund um den Bau der Windräder. Diese beinhalteten Argumente, die für den Bau sprachen: beispielsweise zum Potenzial der CO₂-Einsparung durch die Anlagen oder zur Möglichkeit der finanziellen Beteiligung durch die Bürger:innen. Das Lesen dieser Argumente erhöhte die Akzeptanz der Windräder. Das zeigte sich besonders bei Teilnehmenden mit einer erhöhten Verschwörungsmentalität und – wenn auch in einem geringeren Ausmaß – für Menschen, die an eine konkrete Verschwörungserzählung rund um den Bau der Windräder glaubten. Dabei war es egal, ob die Informationen von der lokalen Verwaltung oder vom ausführenden Energieunternehmen stammten. Das Bereitstellen von Informationen hilft also dabei, Menschen vom Bau der Windräder zu überzeugen.

Wodurch wird der Einfluss positiver Informationen verringert?

In der Regel erhält die Bevölkerung im Vorfeld eines Referendums nicht nur Informationen, die für den Bau der Windräder sprechen. Stattdessen finden meist Kampagnen statt, in denen sowohl Befürworter:innen als auch Gegner:innen ihre Argumente vorbringen. Wir untersuchten, wie sich das Bereitstellen von ausbalancierten – also positiven und negativen – Informationen auswirkt. Unter diesen Bedingungen stieg die Akzeptanz der Windräder weniger stark an. Bei Menschen, die an eine konkrete Verschwörungserzählung rund um den Bau der Windräder glaubten, blieb die gleichzeitige Präsentation von positiven und negativen Informationen sogar komplett wirkungslos. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es schwieriger ist, die Akzeptanz von Windrädern zu steigern, wenn neben den positiven Informationen auch Gegenargumente im Umlauf sind. Außerdem sind Menschen, die bereits an eine konkrete Verschwörungserzählung rund um den Bau der Windräder glauben, generell schwerer zu überzeugen.

Was gilt es in der Praxis zu beachten?

Die positive Nachricht für die Praxis lautet: Argumente helfen. Selbst Menschen mit einer generellen Neigung zum Verschwörungsglauben sind offen für Informationen rund um den Bau von Windrädern. Beteiligte aus Politik und Wirtschaft sollten diese Informationen der Bevölkerung so früh wie möglich zugänglich machen, um Gegenargumente zu entkräften und mögliche Falschinformationen zu widerlegen. Ebenso ist eine hohe Transparenz im gesamten Planungs- und Bauprozess notwendig. Auf diese Weise könnten Beteiligte verhindern, dass Verschwörungserzählungen rund um den Bau von Windrädern überhaupt entstehen oder sich verbreiten. Eine frühzeitige und glaubwürdige öffentliche Kommunikation könnte also der Schlüssel dazu sein, dem Ausbau der Windenergie neuen Schwung zu verleihen.

Link zum kompletten Artikel: https://www.nature.com/articles/s41560-022-01164-w

Über den Gastautor: Kevin Winter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Nachhaltiges Handeln und Wirtschaften der Universität Hohenheim sowie assoziierter Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Möglichkeiten zur Abschwächung polarisierter Einstellungen und zur Eindämmung der Konsequenzen von Verschwörungsglaube.

Referenzen

1 IPCC (2011). Renewable energy sources and climate change mitigation. https://www.ipcc.ch/report/renewable-energy-sources-and-climate-change-mitigation/.

2 Bundesregierung (2021). Koalitionsvertrag 2021. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf.

3 European Commission (2021). Special Eurobarometer 513: Climate change. https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/2273.

4 Enevoldsen, P. & Sovacool, B. K. (2016). Examining the social acceptance of wind energy: Practical guidelines for onshore wind project development in France. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 53, 178–184.

5 Liu, L., Bouman, T., Perlaviciute, G. & Steg, L. (2020). Effects of competence- and integrity-based trust on public acceptability of renewable energy projects in China and the Netherlands. Journal of Environmental Psychology, 67, 101390.

6 Wolsink, M. (2007). Wind power implementation: the nature of public attitudes: Equity and fairness instead of ‘backyard motives’. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 11, 1188–1207.

7 Hornsey, M. J., Harris, E. A. & Fielding, K. S. (2018). The psychological roots of anti-vaccination attitudes: A 24-nation investigation. Health Psychology, 37, 307–315.

8 Lewandowsky, S., Gignac, G. E., & Oberauer, K. (2013). The role of conspiracist ideation and worldviews in predicting rejection of science. PLoS ONE, 8, e75637.

9 Douglas, K. M., Sutton, R. M. & Cichocka, A. (2017). The psychology of conspiracy theories. Current Directions in Psychological Science, 26, 538–542.

10 Crichton, F., Chapman, S., Cundy, T. & Petrie, K. J. (2014). The link between health complaints and wind turbines: Support for the nocebo expectations hypothesis. Frontiers in Public Health, 2, 220.

11 McCunney, R. J., Mundt, K. A., Colby, W. D., Dobie, R., Kaliski, K., & Blais, M. (2014). Wind turbines and health: A critical review of the scientific literature. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 56, e108–e130.

12 Imhoff, R. & Bruder, M. (2014). Speaking (un-)truth to power: Conspiracy mentality as a generalised political attitude. European Journal of Personality, 28, 25–43.

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