Inszenierte Mehrheiten

Neuer CeMAS-Report analysiert die Strategien des verschwörungsideologischen Milieus während der Bundestagswahl
Sperrfrist:
27. October 2021, 10:00 Uhr

Berlin, 27.10.2021. Die Bundestagswahl ist erst vier Wochen her, doch schon jetzt stehen der neu gewählte Bundestag und die zukünftige Regierung vor einer Mammutaufgabe: Nicht nur muss der Weg aus der Pandemie gemeistert werden, sondern auch bei der Bekämpfung der Klimakrise gilt es, wichtige Weichen zu stellen. Genau auf diese Themen haben es allerdings auch Verschwörungsideolog:innen und Rechtsextreme abgesehen. Durch Populismus und Desinformation versuchen sie die Bevölkerung zu verunsichern und zu beeinflussen. Politiker:innen, Behörden und Ministerien geraten dabei immer mehr ins Visier solcher Kampagnen. Das zeigt der heute veröffentlichte Report des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Darin hat ein interdisziplinäres Team die Strategien des verschwörungsideologischen und rechtsextremen Milieus während der Bundestagswahl analysiert und konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Verschwörungsideolog:innen haben auch ohne Parteien ein enges Netzwerk geschaffen

Blickt man auf die Ergebnisse der Bundestagswahl konnten eindeutig verschwörungsideologisch geprägte Parteien wie dieBasis nur geringe Wahlerfolge erzielen. Die mindestens in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD), die auch immer wieder Verschwörungserzählungen für die politische Mobilisierung nutzt, wurde in zwei ostdeutschen Bundesländern jedoch stärkste Kraft. Der reine Blick auf die Wahlergebnisse greift allerdings zu kurz, wenn man verstehen möchte, welche Rolle Verschwörungsideolog:innen und Rechtextreme in der Demokratie spielen. „Insbesondere während der Pandemie hat sich ein verschwörungsideologisches Netzwerk ausgebildet, das immer professioneller darin wird, sich zu inszenieren und eigene Inhalte zu setzen”, beobachtet Josef Holnburger, Geschäftsführer von CeMAS, und sieht dahinter eine gezielte Strategie: „Das verschwörungsideologische Milieu versucht sich fortlaufend als gesellschaftliche Mehrheit darzustellen – und das leider teilweise mit Erfolg”.

“Wir sind viele” - Druck ausüben per Spamming

Eine zurzeit beliebte Methode, um sich als Mehrheit zu inszenieren, ist das Spamming von Politiker:innen, Ministerien und Behörden. Aber auch Schulen und Arztpraxen sind zunehmend betroffen. Diese Methode hat im Reichsbürgerspektrum seine Tradition und erfährt nun eine neue Beliebtheit im verschwörungsideologischen Milieu. Allein im August wurden in den von CeMAS beobachteten verschwörungsideologischen Telegramgruppen und -kanälen über 1.660-mal Wordvorlagen geteilt. Dabei handelt es sich um professionell wirkende Beschwerdeschreiben, die einfach kopiert und weitergesendet werden können. Die meisten solcher Anschreiben richten sich gegen Coronaschutzmaßnahmen oder die Impfung. Ziel ist es, die Adressaten massenhaft mit Mails oder Post zu fluten, sodass der Druck so groß wird, dass sie sich einer angeblichen Mehrheitsmeinung beugen. Das reichweitenstärkste Dokument wurde auf Telegram knapp 1 Million Mal aufgerufen und an Schulen und Lehrkräfte geschickt. Darin wurde sich gegen eine Corona-Testpflicht an Schulen gewehrt. Die derzeit in vielen Bundesländern getroffenen Entscheidungen zur Lockerung oder Aufhebung von Coronaschutzmaßnahmen an Schulen, wirft die Frage auf, ob das Spamming der letzten Monate hier nicht einen entscheidenden Einfluss hatte.

Lehren aus der Pandemie ziehen – gewappnet sein für zukünftige Herausforderungen

„Die massive Verbreitung von Verschwörungsideologien in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten stellt eine ernste Bedrohung für unsere Demokratie dar. Sie hat zunehmend Auswirkungen auf die politische Willensbildung. Es ist von herausragender Bedeutung, die stattfindenden Radikalisierungen kontinuierlich zu beobachten und auszuwerten. Wir brauchen dies mehr denn je für wirksame Gegenstrategien“, sagt Dr. Andreas Eberhardt, CEO der Alfred Landecker Foundation, die CeMAS exklusiv fördert. Eine evidenzbasierte Analyse dieser Akteur:innen und ihrer Strategien ist die beste Grundlage, um diesen Herausforderungen effektiv begegnen zu können. Pia Lamberty, Geschäftsführerin von CeMAS, betont, wie wichtig es ist, Lehren aus der Pandemie zu ziehen: „Politiker:innen, Behörden, Schulen und Arztpraxen müssen über Strategien von Verschörungsideolog:innen und Rechtsextremen aufgeklärt werden und sich frühzeitig vorbereiten, wie sie diesen begegnen können. Gerade auch bei den Herausforderungen, die die Klimakrise mit sich bringen wird, brauchen wir als Gesellschaft eine starke Antwort auf demokratiegefährdende Akteur:innen.”

Zum gesamten Report (per PDF downloadbar)

Link: https://cemas.io/publikationen/report-btw21

Für Interviews stehen zur Verfügung

Pia Lamberty

Sozialpsychologin und Geschäftsführung beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)

Josef Holnburger

Political Data Scientist und Geschäftsführung beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)

Pressekontakt

Maheba Goedeke Tort
Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)
E-Mail: presse@cemas.io
Website: www.cemas.io

Über CeMAS

Das gemeinnützige Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) bündelt jahrelange interdisziplinäre Expertise zu den Themen Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus. CeMAS adressiert aktuelle Entwicklungen innerhalb der Themenfelder online durch systematisches Monitoring zentraler digitaler Plattformen und moderner Studiendesigns, um so innovative Analysen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Darüber hinaus berät CeMAS Entscheidungsträger:innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik. CeMAS wird gefördert von der Alfred Landecker Foundation.

Über die Alfred Landecker Foundation

Die Alfred Landecker Foundation fördert und beschleunigt die Entwicklung einer offenen, demokratischen und diskriminierungsfreien Gesellschaft – innovativ, mutig und disruptiv. Die Stiftung ist ein Inkubator für Demokratie im digitalen Zeitalter. Sie nutzt den technologischen Fortschritt und umfassende Expertise im Sinne einer offenen Gesellschaft und zeitgemäßen Erinnerungskultur sowie für die Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus. Die Stiftung schafft Netzwerke, Räume und Wissen, indem sie interdisziplinäre Projekte unterstützt, fördert, vernetzt und professionalisiert. Durch den Aufbau eines Netzwerks global aktiver Partner:innen macht sie Wissen und Erfahrungen breit verfügbar und bringt unterschiedlichste Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis an einen Tisch.

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