Neuer CeMAS-Report
Berlin, 19. November 2024
Die verdeckte digitale Operation Doppelgänger wird seit Beginn der großangelegten russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 eingesetzt, um etwa mit gefälschten Medien-Websites und Social Media-Beiträgen russische Kriegsziele zu unterstützen und die öffentliche Meinung in westlichen Demokratien zu beeinflussen. Erstmals im Sommer 2022 aufgedeckt, ist die Kampagne heute trotz vieler möglicher Ansatzpunkte und einiger Gegenmaßnahmen immer noch aktiv. Zu diesem Ergebnis kommt der neue CeMAS-Report „Fortsetzung folgt“, der eine umfängliche Übersicht über die aufgedeckten Doppelgänger-Aktivitäten Russlands in Deutschland bietet und die Funktionsweise der russischen Manipulationskampagne auf verschiedenen Social-Media-Plattformen erklärt.
CeMAS konnte für den neuen Report interne Dokumente der PR-Firma Social Design Agency auswerten, die von der russischen Präsidialverwaltung mit der Umsetzung der Doppelgänger-Kampagne beauftragt wurde. Die geleakten Daten legen die Kommunikationsziele und die Strategie des Kremls offen. Sie offenbaren, dass die innere Destabilisierung westlicher Demokratien eines der Hauptziele der russischen Desinformations- und Manipulationskampagne ist.
Die von CeMAS untersuchten Aktivitäten der Doppelgänger-Kampagne zeigen ein wiederkehrendes Muster im Vorgehen auf:
- Die russische Desinformationskampagne Doppelgänger ist auch 2024 weiterhin im deutschsprachigen Raum aktiv. Nach wie vor werden irreführende pro-russische Inhalte über kopierte oder eigene digitale Medienportale veröffentlicht und diese wiederum über Facebook und X (ehemals Twitter) verbreitet. Zuletzt sperrten einige technische Dienstleister dank zivilgesellschaftlichem Engagement die gefälschten Nachrichten-Webseiten, weshalb die Links nicht mehr abrufbar waren. Trotzdem beobachtet CeMAS weiterhin Doppelgänger-Beiträge auf Social-Media-Plattformen.
- Social-Media-Plattformen wie Facebook und X sind für die Verbreitung von Doppelgänger-Inhalten weiterhin relevant. Für die Verbreitung auf X werden viele unterschiedliche Accounts eingesetzt, welche die Inhalte in strategischer Arbeitsteilung den Nutzer:innen zuführen. Die Plattform reagiert trotz an X gemeldeter Kampagnen und bereits eröffnetem Prüfverfahren nach dem Digital Services Act (DSA) nicht ausreichend konsequent, sodass Inhalte dieser Art bis Redaktionsschluss verfügbar waren. Für die Verbreitung auf Facebook kamen 2024 bezahlte Werbeanzeigen zum Einsatz**,** deren typische Erscheinungsform bereits mehrfach dokumentiert wurde – auch von der Plattform selbst. Dennoch konnten irreführende politische Werbeanzeigen mit prorussischem Inhalt weiterhin verbreitet werden, indem sie schlicht nicht als politische Werbeanzeigen gekennzeichnet werden.
- Ein Leak von internen Dokumenten der für Doppelgänger verantwortlichen Social Design Agency (SDA) gibt Einblick in die Kampagnenziele für Deutschland: Die Zustimmungswerte zur AfD sollten steigen, jene für die Grünen sinken. Gefördert werden sollten Zukunftsängste sowie die Haltung, „den eigenen Wohlstand“ nicht für den „Sieg über Russland“ opfern zu wollen. Generell zielt die Kampagne vor allem auf die langfristige Entsolidarisierung der Bevölkerung westlicher Staaten mit der Ukraine ab.
- Die Kampagne weist in ihrem Vorgehen Konstanten auf. Diese können genutzt werden, um neue Aktivitäten frühzeitig zu erkennen und einzudämmen. Dass die irreführenden Inhalte dennoch weiterhin im Umlauf sind, weist auf Entwicklungspotenzial im Bereich der Gegenmaßnahmen hin. Der Report bietet Handlungsempfehlungen für staatliche Stellen, Social-Media-Plattformen, sowie Forschung und Zivilgesellschaft.
Lea Frühwirth, Senior Researcherin bei CeMAS und Co-Autorin des Reports, ordnet ein: „Die Doppelgänger-Kampagne hat zwar durch Gegenmaßnahmen wie die Sperrung gefälschter Nachrichtenseiten an Effektivität verloren, die Gefahr ist aber noch nicht gebannt. Doppelgänger-Beiträge in sozialen Medien werden weiterhin verbreitet. Die Kampagne hat sich in der Vergangenheit als langlebig und anpassungsfähig erwiesen. Außerdem ist sie eine von mehreren russischen Desinformationskampagnen. Auch im Hinblick auf die anstehende vorgezogene Bundestagswahl und den anhaltenden Krieg in der Ukraine müssen wir mit weiteren Einflussversuchen Russlands rechnen. Unsere Untersuchung hat Konstanten im Vorgehen der Kampagne aufgezeigt, mit der sich zukünftig neue Desinformationsaktivitäten besser aufdecken und eindämmen lassen. Die zeitnahe Mustererkennung ist für Politik und Plattformbetreibende wichtig, um demokratiegefährdende Einflussversuche Russlands frühzeitig zu verhindern.“
Zum gesamten Report (per PDF downloadbar):
https://cemas.io/publikationen/fortsetzung-folgt-doppelgaenger/
Für Interviews stehen zur Verfügung:
Lea Frühwirth, Senior Researcherin beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)
Julia Smirnova, Senior Researcherin beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)
Pressekontakt:
Maheba Goedeke Tort
Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)
E-Mail: presse@cemas.io
Website: www.cemas.io
Über CeMAS
CeMAS, das gemeinnützige Center für Monitoring, Analyse und Strategie, bündelt jahrelange interdisziplinäre Expertise zu den Themen Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus. CeMAS adressiert aktuelle Entwicklungen innerhalb der Themenfelder online durch systematisches Monitoring zentraler digitaler Plattformen und moderner Studiendesigns, um so innovative Analysen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Darüber hinaus berät CeMAS Entscheidungsträger:innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik. CeMAS wird gefördert von der Alfred Landecker Foundation.
Über die Alfred Landecker Foundation
Die Alfred Landecker Foundation wurde 2019 in Berlin gegründet. Ihr Ziel ist es, an den Holocaust zu erinnern, gegen Antisemitismus zu kämpfen und für Demokratie zu streiten. Diese Aufgabe ist umso herausfordernder angesichts der tektonischen Verschiebungen, die die digitale Revolution mit sich bringt. Um unsere Institutionen zu schützen, kritisches Urteilsvermögen zu stärken und Erinnerungskultur zu fördern, versammelt und fördert die Alfred Landecker Foundation ein weltweites Netzwerk aus Wissenschaft und der aktiven Zivilgesellschaft.
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