Neue CeMAS-Datenbank

Erstmals systematische Erfassung von rechtsterroristischen Fällen

Berlin, 23. April 2024

Wer an Rechtsterrorismus in Deutschland denkt, hat die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sofort präsent. Auch nach der Selbstenttarnung des NSU spielt Rechtsterrorismus weiter eine große Rolle und bleibt brandgefährlich. 50 rechtsterroristische Fälle seit 2011, darunter 29 gesichert rechtsterroristische Taten und Pläne und 21 Verdachtsfälle, hat CeMAS (Center für Monitoring, Analyse & Strategie) gesammelt und ausgewertet. In der Datenbank https://terror-seit-nsu.de, die fortlaufend aktualisiert wird, stellt CeMAS die Fälle der Öffentlichkeit nun zur Verfügung und beleuchtet damit einen blinden Fleck in der bisherigen Auseinandersetzung mit Rechtsterrorismus: die systematische Erfassung rechtsterroristischer Aktivitäten in Deutschland.

Seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 ist der Rechtsterrorismus in seiner ideologischen und strategischen Ausrichtung komplexer geworden. Gleichzeitig gibt es zahlreiche rechtsterroristische Aktivitäten in Deutschland. Von größerer Medienberichterstattung waren im vergangenen Jahrzehnt vor allem die Attentate von München, Hanau und Halle begleitet – viele der rechtsterroristischen Fälle und Verdachtsfälle seit 2011 sind der Öffentlichkeit jedoch unbekannt, weil es keinen zentralen Ort der Erfassung gibt.

„Gerade in Zeiten, in denen Umsturzfantasien Hochkonjunktur haben und digitale Räume zum Radikalisierungsbeschleuniger werden, ist es wichtig, die Entwicklungen im Bereich Rechtsterrorismus zu erfassen und zu verstehen. Nur so kann Aufarbeitung und Prävention gelingen“, so Miro Dittrich, Rechtsextremismusexperte bei CeMAS und Mit-Initiator der Datenbank.

„Extremismus in all seinen Ausprägungen zentral zu erfassen, um ein besseres Gefühl für die Dimension des Problems zu bekommen, ist ein wichtiges Anliegen. CeMAS leistet mit der Initiative einen grundsätzlichen Beitrag, um das Ausmaß der Herausforderung für unsere Demokratie zu verstehen“, meint Silke Mülherr, Co-CEO der Alfred Landecker Foundation, die CeMAS seit der Gründung fördern.

Neben ausgeführten Anschlägen in Deutschland werden in der Datenbank auch Pläne veröffentlicht, die kurz vor der Ausführung verhindert werden konnten und die Merkmale rechtsterroristischer Tatvorhaben enthalten. Begleitend beschreiben und analysieren die Initiatoren der Datenbank alle aufgenommenen Fälle und ordnen diese ideologisch ein. Auf dieser Grundlage konnten folgende zentralen Entwicklungen identifiziert werden:

  • Es lassen sich drei wesentliche Strömungen von Rechtsterrorismus in Deutschland beobachten:
    • Verschwörungsideologischer Souveränismus: Vor allem sogenannte „Reichsbürger“ und andere verschwörungsideologische Souveränist:innen, welche die aktuelle Gesellschaftsform als Mittel einer Verschwörung sehen und diese abschaffen wollen.
    • Militanter Akzelerationismus: Lose meist über Online-Communitys vernetzte Szene, die vermehrt minderjährige Täter hervorbringt und den baldigen Zusammenbruch westlicher Demokratien provozieren will.
    • Vigilantistischer Terrorismus: Personen mit der Überzeugung, Gewalttaten im Namen eines vermeintlichen „Volkswillens“ zu verüben, um damit die Ordnung wiederherzustellen, die der Staat angeblich nicht umsetzen würde oder könnte.
    • Insbesondere der militante Akzelerationismus und der verschwörungsideologische Souveränismus stellen verstärkte rechtsterroristische Strömungen der vergangenen Jahre dar.
  • Die Rolle der Vernetzung über Messengerdienste, soziale Medien oder Online- Communitys hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Möglichkeit sich online zu radikalisieren, bringt auch immer mehr Minderjährige hervor, die Taten planen oder begehen.
  • Im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima sehen Rechtsterrorist:innen eine Chance zur Realisierung von Umsturzfantasien. Die gestiegene Zustimmung zu rechtsextremen Narrativen und der Zuwachs in der rechtsextremen Szene in Deutschland wird den ansteigenden Trend rechtsterroristischer Aktivitäten unterstützen.
  • Die Aufarbeitung von rechtsterroristischen Taten vor Gericht zeigt immer wieder: Ermittler:innen fehlt das Wissen über moderne Formen des Rechtsterrorismus (insbesondere im Bereich von Online-Communitys). Oft wird auch das Netzwerk rund um die Täter:innen nur unzureichend erkannt und ermittelt.

Zur Datenbank:
www.terror-seit-nsu.de

Zum begleitenden Report (per PDF downloadbar):
www.cemas.io/publikationen/terror-seit-nsu

Für Interviews steht zur Verfügung:
Miro Dittrich, Rechtsextremismusexperte und Senior Researcher bei CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie)

Pressekontakt:
Maheba Goedeke Tort
CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie)
E-Mail: presse@cemas.io
Website: www.cemas.io

Über CeMAS
CeMAS, das gemeinnützige Center für Monitoring, Analyse und Strategie bündelt jahrelange interdisziplinäre Expertise zu den Themen Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus. CeMAS adressiert aktuelle Entwicklungen innerhalb der Themenfelder online durch systematisches Monitoring zentraler digitaler Plattformen und moderner Studiendesigns, um so innovative Analysen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Darüber hinaus berät CeMAS Entscheidungsträger:innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik. CeMAS wird gefördert von der Alfred Landecker Foundation.

Über die Alfred Landecker Foundation
Die Alfred Landecker Foundation wurde 2019 in Berlin gegründet. Ihr Ziel ist es, an den Holocaust zu erinnern, gegen Antisemitismus zu kämpfen und für Demokratie zu streiten. Diese Aufgabe ist umso herausfordernder angesichts der tektonischen Verschiebungen, die die digitale Revolution mit sich bringt. Um unsere Institutionen zu schützen, kritisches Urteilsvermögen zu stärken und Erinnerungskultur zu fördern, versammelt und fördert die Alfred Landecker Foundation ein weltweites Netzwerk aus Wissenschaft und der aktiven Zivilgesellschaft

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