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Erscheinungsdatum: 2. November 2022
Autor:innen: Dr. Pia Lamberty, Corinne Heuer, Josef Holnburger
Im Research Paper „Belastungsprobe für die Demokratie: Pro-russische Verschwörungserzählungen und Glaube an Desinformation in der Gesellschaft“ stellen wir die Ergebnisse unserer neusten bevölkerungsrepräsentativen Befragung vor. Wir vergleichen die aktuellen Zustimmungswerte zu pro-russischen Verschwörungserzählungen mit den Werten aus unserer Erhebung im April 2022. Wie rezipiert die deutsche Bevölkerung pro-russische Narrative heute? Gibt es tatsächlich einen Unterschied in der Haltung gegenüber Verschwörungserzählungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zwischen Ost- und Westdeutschland? Und wessen Wähler:innenschaft stimmt Verschwörungserzählungen zum Ukraine-Krieg eher zu?
Die bevölkerungsrepräsentative Umfrage zeigt einen Anstieg aller Zustimmungswerte zu pro-russischen Verschwörungserzählungen in der deutschen Gesamtbevölkerung. Auch die Werte der teils-teils-Antworten im Hinblick auf die Haltung zu pro-russischen Verschwörungserzählungen in der deutschen Bevölkerung stiegen im Vergleich zu den Umfrageergebnissen unserer Analyse aus April 2022 signifikant an. Mit 19 Prozent stimmte fast jede:r Fünfte der Aussage zu, dass der russische Angriffskrieg eine alternativlose Reaktion Russlands auf die Provokation der NATO wäre. 21 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu. Im April lag die Zustimmung hier bei 12 Prozent und die teils-teils-Antwort bei 17 Prozent. Bemerkenswert ist auch der Vergleich der Daten aus Ost- und Westdeutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass sich pro-russische Narrative in den neuen Bundesländern insgesamt deutlich häufiger vergangen. Während in Ostdeutschland jede:r Dritte der Aussage zustimmte, dass die NATO Russland so lange provoziert hätte, dass Russland in den Krieg ziehen musste, stimmten dieser Aussage in Westdeutschland mit 16 Prozent knapp halb so viele Befragte zu. Ein ähnliches Verhältnis zeigte sich bei weiteren Items. Bezogen auf die Parteipräferenz im Hinblick auf die Haltung gegenüber Verschwörungserzählungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurden die Ergebnisse aus April 2022 bekräftigt: Wähler:innen der AfD stimmen Verschwörungserzählungen zum Ukraine-Krieg besonders häufig zu. Die zweithöchsten Zustimmungswerte für alle pro-russischen Verschwörungserzählungen erreichte die Wähler:innenschaft der Linken. Wähler:innen der Grünen stimmten pro-russischer Propaganda am wenigsten zu, gefolgt von der Wähler:innenschaft der FDP.
Quantitative Studien können zwar die Wirkungskraft von Desinformationskampagnen nicht direkt messen, sie bilden jedoch ein aktuelles Stimmungsbild ab und dieses erscheint vor dem Hintergrund der Zunahme der Zustimmungswerte zu pro-russischen Verschwörungserzählungen innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung durchaus beunruhigend. Die Umfrageergebnisse legen nahe, dass pro-russische Desinformation in der deutschen Bevölkerung auf fruchtbaren Boden trifft. Im Hinblick auf den anhaltenden Angriffskrieg auf die Ukraine und den weiteren Krisen, denen wir uns als Gesellschaft werden stellen müssen, bedeutet das, dass ein umfangreicheres Verständnis von Propaganda und Desinformation entwickelt werden muss. Auch eine tiefergreifende gesellschaftspolitische Debatte zu der Frage, wie der zunehmenden Flut an Desinformationskampagnen begegnet werden kann, ist erforderlich. Die Auseinandersetzung mit Propaganda und Desinformation muss über das sogenannte Debunking, also dem Ausgleich des Informationsdefizits hinausgehen. Desinformation darf nicht nur als Informations- oder Sicherheitsproblem verstanden werden. Es ist ein Angriff auf die Demokratie als solches.
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